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Eine Orgel im Neuland

Auf den ersten Blick fällt die katholische Edith-Stein Kirche zwischen den Verwaltungs- und Wohngebäuden des Hamburger Stadtteils Neu-Allermöhe kaum auf. Nur die ocker-gelb geflammt verklinkerten Aussenwände unterscheiden sie von den fast durchgängig roten Klinkerfassaden. Die Mauern der Kirche wirken nach außen hin fast fensterlos. "Insgesamt wirkt der Bezirk eher distanziert-abgeschlossen als einladend. Vermutlich ist es eine angemessene Möglichkeit und der unausgesprochene Wunsch der Diasporagemeinde nicht allzu selbstbewußt-plakativ aufzutreten." (Martin Wurzer-Berger in Das Münster 1/95)

Das kreisrunde Kirchengebäude ist verbunden mit dem rechteckigen Bau des Gemeindezentrums, in dem das Pfarrbüro, verschiedene Gruppenräume, eine Kindertagesstätte und zwei Betreuerwohnungen untergebracht sind. Der Gebäudekomplex wurde von dem Hamburger Architektenbüro Planen & Bauen entworfen und Anfang 1993 geweiht. Kirche und Innenraumgestaltung wurden 1992 vom Architekten- und Ingenieurverein Hamburg als "Gebäude des Jahres" preisgekrönt.



Die Gestaltung des Innenraumes steht mit warmen, hellen Farben und ihrer lichtdurchfluteten Schlichtheit in einem deutlichen Kontrast zum wuchtigen Auftritt der Kirche von außen. Nicht nur die zentralen Raumelemente, die Glasfenster, der Altar und die Orgel, sondern auch alle anderen Details der Innenausstattung wurden von dem Kölner Maler und Bildhauer W. Gies entworfen. Gies der als bildender Künstler "normalerweise Bilder malt, die keiner bestellt hat" übernahm diesen Auftrag unter der Bedingung einer größtmöglichen Gestaltungsfreiheit.

Für den klaren, mit abstrakten Symbolen und ausgesuchten Materialien gestalteten Raum legten verschiedene Orgelbauer Entwürfe für Instrumente vor. Gies waren diese viel zu konventionell:

"Das bewegte sich im üblichen Rahmen, zwischen Neugotik und modernem Küchenschrank."



So entwarf Gies selbst die Orgel, die er sich für diesen Raum wünschte. Seine ersten Zeichnungen irritierten den Orgelbauer Michael Becker und den Orgelfachmann der Hamburger Diözese zunächst: Das war etwas völlig Neues. "Obwohl die Akustik einer Orgel von der Form völlig unabhängig ist und keinen Resonanzkasten braucht, sind Orgeln bislang selten als strukturale Objekte aufgefallen" erklärt W. Gies. Üblicherweise würden Orgeln in Kassettenbauweise "immer an der Wand entlang" gebaut.Mit ihrer Zusammenarbeit am Entwurf und Bau der Orgel betraten alle Beteiligten Neuland: Für den Maler und Bildhauer W. Gies war es das erste und einzige Orgelinstrument, das er bisher entwarf. Und der Orgelbauer Michael Becker stand vor einer ganz neuen und ungewöhnlichen Herausforderung: Der Fertigung einer Orgel nach dem freien Entwurf eines Künstlers. Das Instrument, das W. Gies schließlich in Zusammenarbeit mit Michael Becker realisierte, hat so ein Stück Pionierarbeit geleistet.


Die Orgel - technische Daten

Die neue Becker-Orgel ist eine rein mechanische Schleifladenorgel mit 16 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Sie wurde innerhalb von sechs Monaten von Michael Becker und sechs Orgelbaugesellen gefertigt. Das Gehäuse aus Ahorn umschließt 1043 Pfeifen, schützt vor Staub, mischt vor allem den Klang und strahlt ihn gebündelt in den Raum ab. Die Orgel ist 5,60 Meter hoch, 4 Meter breit und 2,40 Meter tief. Die längste Pfeife ist 3,30 Meter lang. Angaben zur Disposition des Instruments finden Sie unter dem Menüpunkt Werkliste.



Stimmen

"Wie die Gemeinde die moderne Gestaltung aufnimmt? Viel besser als erwartet. Dabei sind die Älteren offener als die Jugendlichen. Auch die Aussiedler zeigen eine große Offenheit. Man kommt gerne in der Edith-Stein Kirche zum Gottesdienst zusammen. Der stimmige, fröhliche Raum übt eine große Wirkung aus. Das Fenster beeindruckt die meisten unmittelbar. Die farbigen Türen auch. Einige sind vom Vortragekreuz fasziniert. Der Osterleuchter beeindruckt, ebenso der wohlproportionierte Altar. Nicht wenige merken, dass alles edel in der Form und der Gestaltung ist. Einige Besucher kommen von sich aus auf grundlegende Intentionen der Gestaltung." (Text: Armin Mack, bis 1998 Pfarrer an der Edith Stein Kirche)

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